Mittwoch, 13. November 2013

Tierschutzhunde sichern

Man liest es jeden Tag in Hunde-Foren, in diversen Facebook-Gruppen und auf Tierschutzseiten:

Hund bei Ankunft aus dem Ausland entlaufen

Oder

Hund nach Umzug von Pflegestelle zu Endstelle entlaufen 

Und immer wieder enden solche Hunde totgefahren im Strassengraben oder erschossen vom Jäger oder zermatscht an den Bahngleisen.

Ich mag es nicht mehr lesen. Und deshalb gibt es hier nun eine Anleitung, wie man Tierschutzhunde sichern kann-muss-sollte, bis sie sich an das neue Zuhause und die neuen Menschen gewöhnt haben und eine Bindung aufgebaut haben.

Ein Hund, zumal wenn er ein ehemaliger Strassenhund ist oder aus schlechter Haltung kommt oder misshandelt wurde oder in einem Tierheim im Ausland untergebracht war, ist erst mal mehr oder weniger (im Zweifel immer von "mehr" ausgehen) traumatisiert.  Der Hund weiss nicht, dass er nun ein Zuhause bekommen soll und dass er ein Wunschtier ist, auf das viel Liebe, ein weiches Sofa und gutes Futter wartet.

Der Hund ist auch erstmal nicht sofort dankbar, dass er gerettet wurde. Sondern der Hund hat eine lange Reise hinter sich und er hat null Ahnung, was auf ihn zukommt.  Er ist verunsichert bis panisch und würde jede noch so winzige Gelegenheit zur Flucht ausnutzen.

Und nein, es genügt nicht, den Hund nach der Ankunft ein wenig zu knuddeln und zack, geht ihm ein Lichtlein auf und er weiss glasklar: das sind meine Menschen, mir will keiner was Böses mehr, hier lebe ich nun, das ist mein Zuhause.
So funktionieren Hunde nicht.

Es fängt bei der Abholung vom Transport aus dem Ausland an.

Die Hunde müssen IM (!) Transporter, bei geschlossener Türe (!) gesichert werden. 
Entweder die Adoptanten bringen gleich ein Sicherheitsgeschirr mit, und falls sie noch keines haben (aus irgendwelchen Gründen), dann sollten sie ein sogenanntes Führgeschirr mitbringen, das es in jedem Zoogeschäft zu kaufen gibt.
Es gibt diese Führgeschirre in den Grössen XS, S, M, L und XL.
Sie bestehen aus einem Halsring und einem Brustring, die miteinander verbunden sind.


Jeder Adoptant weiss, wie gross ungefähr der Hund ist, den er adoptiert hat. Wenn er sich um Unklaren ist, ob Grösse S oder Grösse M passt, zum Beispiel, dann kann man mit dem Zoogeschäft besprechen, beide Geschirre zu bezahlen, mitzunehmen, und das nicht passende Geschirr wieder zurück zu bringen. Das macht fast jedes Zoogeschäft und wenn nicht, dann geht man halt ins nächste. Es gibt KEINE (keine-keine-keine!!!!!!!) Ausrede, zur Abholung eines Hundes ohne Geschirr aufzukreuzen. KEINE!

In den allerwenigsten Fällen kann der Adoptant den Hund im Transport-Kennel (in dem er im Transporter sass) ins eigene Auto umladen und nach Hause bringen, denn die Kennels gehören meist der Transportgesellschaft, und verbleiben im Transporter.


Ausser dem Geschirr sollte der Adoptant ein Halsband und 2 (in Worten: ZWEI!!!) Hundeleinen dabei haben. Mit stabilen Karabinern, also nicht der billigste Kram vom Grabbeltisch.

Der Hund wird also im Transporter angezogen: Halsband, Geschirr, und an beides wird eine Hundeleine festgemacht.
Die eine Leine schnallt man sich entweder um den Bauch oder wickelt sie fest um das Handgelenk. Die andere Leine hält man in der Hand. 

Und nein, das ist nicht übertrieben. Es passiert dauernd, dass Hunde direkt bei der Ankunft abhauen.
Die Tiere sind verstört vom Transport, sie geraten beim Aussteigen in Panik, der Mensch ist nicht drauf gefasst, die Leine rutscht aus der Hand und zack, ist der Hund weg. Und nicht wenige dieser Tiere enden tot im Strassengraben.

So, Hund ist gesichert, nun geht es ohne Umweg zum Auto des Adoptanten. Bitte kein "der Hund muss erst mal Gassi gehen" oder ähnlichen Blödsinn.
Hunde auf dem Rücksitz müssen angeschnallt werden.
Hunde, die auf der Ladefläche in Kombis oder SUVs nach Hause gefahren werden, macht man mit einer der beiden Leinen im Innenraum des Autos fest. Damit sie beim Ausladen Zuhause nicht direkt von der Ladefläche springen und abhauen können.

Zuhause angekommen, macht man nochmal allen Familienmitgliedern klar, dass der Hund noch keine Bindung an seine neue Familie und sein neues Zuhause hat und dass er möglicherweise den kleinsten Türspalt oder ein geöffnetes Fenster zur Flucht nutzen könnte.

Eventuell passierte Pfützen oder Häufchen im Auto oder in der Wohung gehören dazu. Ist halt so.
Wer einen Hund will, sollte eine rustikale Einstellung zu Kot und Urin haben. Kann man alles wegputzen.
Wer damit nicht umgehen kann, sollte sich kein Haustier anschaffen.

Den Hund auch bitte nicht ohne Geschirr, Halsband und zwei Leinen in den Garten lassen, falls der Garten nicht komplett von einem 2 Meter hohen Zaun umgeben ist.
Es gibt Hunde, die springen auf halbe Höhe und kraxeln dann vollends über den Zaun. Es gibt Hunde, die klettern wie Katzen an einem Zaun hoch.
Wer noch nie einen Hund mit einer Panik-Attacke erlebt hat, weiss nicht, zu was ein Hund fähig sein kann.


Wer jetzt kommt und sagt "aaaaber der Hund braucht doch mal Bewegung, der muss doch mal rennen können!" - ja, muss er. Und dafür hat er sein ganzes restliches Leben Zeit, wenn er nicht in der ersten Zeit abhaut und plattgefahren auf der Strasse endet.

Ein Hund übersteht es, ein paar Wochen gesichert an zwei Leinen spazieren zu gehen.
Irgendwann kann man dann die Schleppleine zum Einsatz bringen und wenn die Grundkommandos sitzen und der Hund eine feste Bindung zu seinen Menschen aufgebaut hat, dann kann man die meisten Hunde in geeignetem Gelände auch frei laufen lassen.
Es empfiehlt sich, das auf einem eingezäunten Hundeschulgelände anzufangen und zu üben und nicht direkt im Wald oder der Pampa.

Manche Hunde, speziell die, die ein Leben als Strassenhund hinter sich haben und von Hundefängern mit einer Schlinge eingefangen wurden, haben erstmal ein Problem damit, sich zuhause Halsband und Geschirr und Leine anlegen zu lassen, sie reagieren also kopfscheu, wenn Herrchen oder Frauchen sie "anziehen" wollen.
Das kann man in vielen Fällen so lösen: im Haus zieht man das Geschirr aus, lässt aber das Halsband tagsüber am Hund. Und an das Halsband macht man einen dünnen Strick, der so lang ist, dass er nicht bis ganz zum Boden geht. Eine entsprechend gekürzte/abgeschnittene Leine geht natürlich auch.
Wenn es an der Tür klingelt oder man mal kurz zum Briefkasten muss oder ein Familienmitglied nach Hause kommt oder das Haus verlässt, kann man den Hund kurz festhalten, bis die Wohnungs- oder Haustüre wieder sicher verschlossen ist.
In der Zeit, in der das Tier ohne Aufsicht ist, auch nachts, muss man das Halsband und den Strick unbedingt entfernen, das könnte sonst gefährlich werden. Also bitte nur, wenn man Zuhause ist und den Hund unter Aufsicht hat.



So, nun zu den Geschirren, die sich dazu eigenen, einen Hund zu sichern, und zu denen, die sich nicht dazu eigenen.Bei allen Geschirren, Leinen und Halsbändern gilt: billiger Krempel ist aus schlechtem Material mit schlechten Verschlüssen und taugt nichts.
Kürzlich kam ein Hund zu Tode, der zwar mit einem Sicherheitsgeschirr gesichert war, bei dem der D-Ring (an dem die Leine befestigt wird) abriss, als der Hund erschrak und rückwärts in die Leine sprang. Der Hund rannte weg und direkt unter ein Auto. Mit einem zusätzlichen Halsband und einer zweiten Leine lässt sich so etwas verhindern.


Am besten sind natürlich sogenannte Sicherheits- oder Panik-Geschirre.
Diese haben einen zweiten Bauchring, der hinter dem Brustkorb sitzt. Ein Hund hat (falls er nicht fett ist, und das sind die wenigten Tierschutzhunde aus dem Ausland, oder ein sehr junger Welpe ist, das sind auch die wengisten Hunde aus dem Ausland) am Bauch einen kleineren Umfang als am Brustkorb. Deshalb können diese Geschirre nicht abgestreift werden, wenn der Hund z.B. rückwärts in die Leine springt. Der Bauchring passt nicht über den Brustkorb und dadurch kann der Hund nicht aus dem Geschirr schlüpfen.

So sehen diese Geschirre z.B. aus:











Es gibt diese Sicherheits- oder Panikgeschirre von vielen verschiedenen Herstellern. Oft muss man sie nach Maß bestellen, was natürlich ungeschickt ist, wenn man die genauen Maße des Hundes noch nicht hat. Es gibt aber auch Sicherheitsgeschirre, die sich in der Grösse variabel verstellen lassen und die man z.B. in der Grösse M einem mittelgrossen Hund passend einstellen kann und in der Grösse S einem kleinen Hund.



Hat man zur Abholung des Hundes noch kein Sicherheits- oder Panikgeschirr parat, sichert man den Hund mit einem Führgeschirr, einem Halsband und zwei Leinen.
Das Führgeschirr besteht aus einem Halsring und einem Brustring, die miteinander verbunden sind.
Achtung: wenn der Hund panisch in die Leine rennt, kann er sich das Geschirr rückwärts abstreifen.
Diese Geschirre sind für einen neu vermittelten Hund nur eine Notlösung und sollten so schnell als möglich durch ein Sicherheits- oder Panikgeschirr ersetzt werden.

Beispiele von Führgeschirren mit und ohne Doppelsicherung mit Halsband und zweiter Leine:













Jetzt zu den NICHT empfehlenswerten Geschirren: Norwegergeschirre, bzw. Brustgeschirre.
Diese Geschirre sind NICHT sicher. Wenn der Hund rückwärts in die Leine springt, zieht er sich ein Norweger-, bzw. Brustgeschirr im Nullkommanichts über den Kopf.










Nun zu den Leinen.
Flexileinen, bzw. Roll-Leinen sollte man NICHT (nie!) benutzen. Sie sind nicht sicher, sie rutschen einem leicht aus der Hand und man kann den Hund damit nicht kontrollieren.
Dazu kommt, dass Flexileinen, wenn sie einem aus der Hand fallen, selbst nicht ängstliche Hunde in Panik versetzen können. Der Plastikkasten scheppert hinter dem Hund her und "verfolgt" ihn, egal was er macht, das Ding wird er nicht los. Da kann selbst der ruhigste Hund panisch reagieren.
Flexileinen sind der grösste Unsinn seit Erfindung der Hundleine.

Geeignet sind qualitativ gute Führleinen aus Leder oder Nylon mit hochwertigen Karabinern. Es gibt auch Leinen-Systeme, bei denen man die Leine an einen Bauchgurt befestigen kann, was gerade bei der Doppelsicherung eines Hundes sinnvoll ist. Falls einem eine Leine aus der Hand rutscht, dann ist der Hund an der zweiten Leine, die am Bauchgurt des Menschen befestigt ist, gesichert.Statt an einem Bauchgurt kann man die zweite Leine auch einfach an einem Gürtel befestigen.


Halsbänder.
Am besten eignet sich ein Halsband mit Zugstopp. Aus solchen Halsbändern kann sich ein Hund nur sehr schwer rauswinden, wenn sie richtig eingestellt wurden, das heisst, nicht zu weit und nicht zu eng.
Man sollte, wenn kein Zug darauf ist, die Hand zwischen Halsband und Hund stecken können und mit Zug darauf sollte das Halsband wirklich eng anliegen und nicht über den Kopf des Hundes passen.
Und auch hier gilt wieder, Billigware ist keine Option, um einen Hund vernünftig zu sichern.